In seinem Beitrag “Chancen und Risiken der Digitalisierung für das Handwerk – was kommt auf uns zu?” präsentierte Prof. Dr. Henning Vöpel vom HWWI auf dem Digitalisierungskongress des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima und der KfW die These, dass Amazon das Handwerk übernehmen könnte. Vöpel argumentiert, dass sich Plattformen wie MyHammer oder Amazon zwischen Produzenten und Konsumenten schieben. Für das Malerhandwerk würde das bedeuten, dass Plattformen wie Amazon den Kontakt zum Kunden und die Vermittlung der Aufträge übernehmen. Nach Ansicht Vöpel´s gibt es eine Entwicklung in der Daten wichtiger werden als Erfahrungen. Im folgenden Beitrag soll durchgespielt werden wie sich diese These Prof. Dr. Vöpel´s und die erfolgreiche Umsetzung des Einstiegs der Plattform Amazon auf das Malerhandwerk auswirken könnte.

Daten wichtiger als Erfahrungen, auch für Maler?

Amazon kennt seine Kunden und weiß was sie wollen. Kauft ein Kunde Umzugskisten oder ein neues Sofa, das an eine neue Adresse geliefert werden soll, so könnte Amazon auch direkt Dienstleistungen des Malerhandwerks anbieten. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Kunde in der nächsten Zeit Bedarf an diesen Dienstleistungen hat. Das ist ein recht simples Beispiel und die Möglichkeiten der Datenauswertung und Kundenanalyse sind natürlich deutlich weitreichender.

An diesem Beispiel wird aber deutlich, dass Amazon dichter am Kunden ist und auf Grundlage der Daten den Kunden besser versteht als der durchschnittliche Malerbetrieb. Auch die Kontaktrate mit dem Kunden ist deutlich höher als zwischen dem Kunden und seinem lokalen Malerbetrieb. In Werbemails oder immer dann, wenn der Kunde die Amazon-Webseite für eine Bestellung oder die Nutzung des Prime-Dienstes besucht, kann Amazon seine Dienstleistungen aus dem Malerhandwerk bewerben.

Amazon hat also eine enorme Reichweite und ist dichter am Kunden. Die Plattform kann dem Kunden dadurch bereits Angebote unterbreiten bevor der Kunde aktiv mit der Suche nach Malerleistungen beginnt. Das ist bequem für den Kunden und kann Zeit sparen.

Was spricht dafür, dass Amazon auch ins Malerhandwerk einsteigt?

Amazon berechnet für angebotene Handwerksleistungen in den USA aktuell 20% Vermittlungsgebühr bei Aufträgen bis 1000$. Bei Aufträgen über 1000$ werden 15% fällig. Warum sollte sich Amazon also dieses Geschäft im Malerhandwerk entgehen lassen? Neben den wirtschaftlichen Argumenten sprechen einige weitere Punkte für den Einstieg Amazon´s in den Handwerksbereich:

  • Daten
  • Reichweite
  • Bequemlichkeit für den Kunden
  • Sicherheit & Vertrauen für den Kunden
  • Preis – Amazon wird den Preis bestimmen
  • Kundengewinnung für den Malerbetrieb
Amazon kommt

Amazon auch im Malerhandwerk?

Daten & Reichweite: Amazon hat die Reichweite und kennt seine Kunden, kann die benötigten Dienstleistungen also perfekt beim Kunden durch Werbung platzieren.

Bequemlichkeit für den Kunden: Der Kunde erhält ein standardisiertes Produkt/eine standardisierte Dienstleistung, die er schnell und einfach auswählen kann. Das spart Zeit. Viele Amazonkunden verzichten bei Bestellungen auf Preisvergleiche und verlassen sich auf das Angebot und die Sicherheit der Plattform.

Sicherheit & Vertrauen für den Kunden: Amazon ist dem Kunden gegenüber sehr kulant. Reklamationen und Retouren werden ohne Rückfragen akzeptiert. Das ist sehr bequem für den Kunden und bietet viel Sicherheit und Vertrauen. Die Frage ist wie Amazon Kundenreklamationen und Probleme in der Auftragsabwicklung im Handwerksbereich handhaben wird. Werden Sachverständige für Amazon vor Ort prüfen und regulieren? Amazon wird mit seinen Handwerkern oder Malerbetrieben sicher vertragliche Vereinbarungen treffen, die Qualitätsstandards und Reklamationen betreffen. Dieser Bereich ist kritisch für den Erfolg der Amazon Dienstleistungen im Handwerk. Wenn es funktioniert, bietet es dem Kunden aber eine einmalige Sicherheit bei der Beauftragung eines Handwerksbetriebes und einen starken Wettbewerbsvorteil für Amazon.

Preis: Amazon könnte auf Grund seiner Größe die Preise bestimmen und den gesamten Handwerksmarkt beeinflussen. Für den Kunden wird es leicht in wenigen Klicks ein Vergleichsangebot auf Amazon einzuholen. Um wettbewerbsfähig zu sein und den Markteintritt voranzutreiben, wird Amazon an einem möglichst niedrigen Preis interessiert sein. Es ist also davon auszugehen, dass die Markteinführungen der Amazondienstleistungen im Handwerk zusätzlichen Preisdruck aufbauen würde. Gleichzeitig könnte Amazon aber auch eine zentrale Einkaufsfunktion für seine Malerbetriebe übernehmen und Farben und Verbrauchsmaterialien in enormen Mengen abnehmen. Durch den Zentraleinkauf durch Amazon würden sich deutliche Einsparungen erzielen lassen, die vermutlich dem Endkunden und Amazon zugutekommen würden. Auch hier würde ein Wettbewerbsvorteil für Amazon gegenüber dem lokalen Malerbetrieb entstehen.

Kundengewinnung für den Malerbetrieb: Viele der genannten Aspekte lassen sich aus der Perspektive des lokalen Malerbetriebes eher negativ bewerten. Aber es bieten sich auch Chancen, Amazon würde mit seiner Reichweite und Datengrundlage leicht Kunden werben können und damit die Auftragsbeschaffung übernehmen. Zudem würde Amazon versuchen Aufträge zu standardisieren und direkt zu vergeben. So würde der Aufwand für Kundenkommunikation, das Aufmaß und das Angebot entfallen oder stark reduziert werden. Einerseits eine Arbeitserleichterung, andererseits eine Reduzierung des Malerbetriebes auf die Ausführung der rein handwerklichen Tätigkeit ohne Beratung.

Vor welchen Problemen steht Amazon bei der Umsetzung von Dienstleistungen im Malerhandwerk?

Es gibt zwei große Probleme, die Amazon bewältigen müsste, um den Einstieg im Handwerksbereich erfolgreich umzusetzen: Standardisierung und Qualität.

Grenzen der Standardisierung

Amazon muss die Dienstleistungen standardisieren, damit sie über einen Klick bestellt und abgerechnet werden können. Im Gegensatz zur Industrie sind die Aufgaben und Arbeitsschritte im Malerhandwerk aber recht individualisiert. Je nach Untergrund, Voranstrich oder Schnitt der Wohnung kann der Zeitaufwand und Materialeinsatz eben höher oder niedriger ausfallen. Bisher bietet Amazon sein Dienstleistungsangebot vor allem in den USA mit kleinen standardisierten Leistungen an. Zum Beispiel der Installation eines Deckenventilators oder dem Austausch einer Toilettenschüssel. Komplette Angebote wie die Renovierung von Räumen oder gesamten Häusern gehören bisher nicht zum Angebot der Plattform. Es liegt nahe, dass Amazon sich langsam heranarbeitet und kleinere standardisierte Leistungen im Markt testet. So lassen sich Erfahrungen sammeln und das System kann Schrittweise ausgebaut und auf andere Märkte in Europa und weltweit übertragen werden.

Qualität im Malerhandwerk

Qualität im Malerhandwerk

Qualität und Reklamationen

Wenn es Amazon im Handwerksbereich gelingt den Kunden ein hohes Sicherheitsgefühl gegenüber der Dienstleistung zu vermitteln, so könnte sich Amazon einen starken Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Ist ein Kunde mit den Leistungen seines frei beauftragen Malerbetriebes unzufrieden, so bleibt dem Kunden die Reklamation gegenüber dem Handwerksbetrieb. Der Kunden kann per Anwalt zivilrechtlich versuchen seine Beschwerde durchzusetzen oder sich an die Handwerkskammer wenden. Viele Endkunden fühlen sich auf Grund fehlender Fachkenntnisse in diesem Bereich unsicher und fürchten den Stop, Verzögerungen oder Verteuerungen ihrer Bauarbeiten. Gelingt es Amazon hier einen gewissen Qualitätsstandard durchzusetzen und die Abwicklung von Reklamationen bei Problemen im Kundeninteresse zu garantieren, so werden sich viele Kunden für Amazon entscheiden.

Wie ist der aktuelle Stand am Beispiel von Amazon?

In den USA bietet Amazon in der Kategorie Home & Business Services bereits verschiedene Handwerksleistungen an. Noch geht es hier um einfachere und kleinere Aufträge, die standardisiert angeboten werden und zum Festpreis bestellt werden können. Hier einige Beispiele:

Zum Zeitpunkt der Recherche gehörten auf der US Plattform von Amazon noch keine Malerleistungen zum Angebot.

Was kann man als Malerbetrieb tun, um sich gegen den Markteintritt Amazon´s zu schützen?

Prof. Dr. Vöpel geht davon aus, dass sich die Digitalisierung später auf das Handwerk auswirkt als auf anderen Bereiche und macht vier Vorschläge, die man als traditioneller Handwerksbetrieb ergreifen kann, um sich gegen die Auswirkungen der Digitalisierung zu schützen.

  • Kundenzentrierung erhöhen
  • Lokale Plattformen bilden
  • Logistiklösungen und cross-funktionale Services entwickeln
  • Nähe zu anderen Branchen herstellen